2 de noviembre de 2017 20:11:01
Mahler de la mano de GabrischEl público cubano, acaba de vivir una experiencia durante la más reciente cita de la temporada sinfónica en la sala Avellaneda
Autor: Pedro de la Hoz | pedro@granma.cu
….el director alemán Thomas Gabrisch cumplió la tarea.
Catedrático de la Escuela de Altos Estudios Robert Schumannn de Dusseldorf, y con una considerable experiencia en el montaje de obras sinfónico-vocales, Gabrisch tuvo siempre claridad tanto acerca de lo que debía comunicar como de la conjugación de elementos que tendría que articular.
De modo que a la densidad dramática y enfática del primer movimiento siguió la transmisión del estado de gracia del andante moderato subsiguiente y, no sin dificultades e intermitencias, sacó adelante la fluidez exigida por el tercer movimiento. La Schneider demostró su altura como liederista al bordar la melodía de Urlicht, cuarta parte de la sinfonía que antecede a su apoteosis.
Gabrisch se creció e hizo crecer a los intérpretes en el grandioso final, en el que privilegió las ideas musicales de Mahler –control de la gradación dinámica, nitidez en la exposición temática- al margen de las connotaciones metafísicas de la partitura del compositor checo. Nuevamente la Schneider y una María Felicia impecable en su intervención, redondearon la faena.
Concierto de Aranjuez, Mozart Requiem, 18.November 2017
Dem Leiden so nah
Mozart in kubanischem Umfeld
Thomas Gabrisch, seit 2013 Künstlerischer Leiter des Konzertchores
Ratingen, pflegt intensive Kontakte mit Orchestern in Spanien und auf
Kuba. Der Chor ist erst vor wenigen Wochen von einer ereignisreichen
Konzertreise aus Kuba zurückgekehrt. Dass der ehemalige
Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein und Chefdirigent der
Nürnberger Symphoniker das Kernstück des diesjährigen Herbstkonzerts
in der fast voll besetzten Ratinger Stadthalle, Mozarts Requiem, mit
einem kubanischen Komponisten und Gitarristen garniert, verwundert
deshalb nur auf den allerersten Blick.
Joaquín Clerch stammt aus Kuba, studierte jedoch am Salzburger Mozarteum. Als Komponist und Gitarrist
hält er allerdings seiner Heimat die Treue. Das Herbstkonzert wird eröffnet mit einer düsteren
Auftragsarbeit des Ratinger Konzertchores, Canción, nach einem Gedicht der Schriftstellerin Marta
Aguirre, das die Stimmung eines sich von seinem Geliebten verlassenen Menschen einfängt. Ein
überwiegend leises, raffiniert instrumentiertes Werk, das dem Chor Gelegenheit zu langen
Gesangskantilenen gibt, die die Ratinger Sänger ebenso umsichtig ausführen wie die Sinfonietta Ratingen
den farbigen Orchesterpart. Ein zurückhaltender, introvertierter Gesang, der nicht zu Beifallsstürmen
einlädt. Entsprechend dezent und kurz fällt auch der Applaus aus.
Auf erheblich größere Begeisterung stößt Clerch anschließend als Solist des populären Concierto de
Aranjuez von Joaquín Rodrigo in Erscheinung. Ein Werk, das der international angesehene Gitarrist und
Lehrer souverän interpretiert, wobei ihn die Sinfonietta adäquat begleitet. Quasi ein Selbstläufer, den das
Publikum mit Beifall überschüttet. Als Belohnung gibt es ein kleines kubanisches Tänzchen.
Erheblich ernster wird es nach der Pause.
M o z a rt s Requiem in der bewährten
Süßmayr-Fassung verlangt Chor und
Orchester erheblich anspruchsvollere
Leistungen ab. Und hier zahlt sich
Gabrischs reiche Erfahrung als Dirigent
aus. Er schlägt moderat zügige Tempi an,
die nicht nur eine präzise Wiedergabe des
Notentextes zulassen, sondern auch den
spirituellen Gehalt des Werks zum
Ausdruck kommen lassen können. Eine
Wiedergabe ohne Pathos und
Verschleppungen, aber auch ohne
verhetzten Vorwärtsdrang. Das kommt
nicht nur den schnellen Fugati im Hosanna
und anderen Teilen zugute, die niemals
ihre melodische Linie verlieren.
Das ist nicht zuletzt das Verdienst einer vorzüglichen Vorbereitung durch Gabrisch, der für einen
homogenen, auch in den Männerstimmen voluminösen Klang sorgt. Feine dynamische Abstufungen
beachten Chor und das aufmerksam reagierende Orchester vorzüglich, so dass die Interpretation ihre
Wirkung nicht verfehlt.
Ein ausgeglichenes, teilweise hervorragendes Solistenquartett komplettiert die Aufführung mit der samten
tönenden Mezzosopranistin Elvira Bill an der Spitze, dicht gefolgt von der glockenklar intonierenden
Sopranistin Sabine Schneider, dem markant artikulierenden Tenor Cézar Dima und dem etwas dünn
klingenden Bass von Achim Hoffmann.
Große Begeisterung für ein Herbstkonzert auf hohem Niveau beschließt den erfolgreichen Abend.
Pedro Obiera
Eine Nacht in der Alhambra, Konzert im Schumannsaal
(Diverse Komponisten)
Besuch am
1. Dezember 2017
Sinfonietta im Gitarrenrausch
Zum fünften Mal findet das biennale Gitarrenfestival der RobertSchumann-Hochschule
in Düsseldorf statt. Die beiden Professoren für
Gitarre an der Hochschule, Joaquín Clerch und Alexander-Sergei
Ramirez, waren von der Idee getrieben, die weltbesten Gitarristen nach
Düsseldorf zu holen, um sie ihren Studenten und den Bürgern der Stadt
vorzustellen. So werden denn auch gleich drei Konzertsäle der Stadt
bespielt: der Partika-Saal als Konzertort der Hochschule, das Palais
Wittgenstein in der Altstadt und der Robert-Schumann-Saal im Museum
Kunstpalast am Ehrenhof. Für die Gitarrenstudenten sind die Konzerte in den neun Tagen eher eine
angenehme Begleiterscheinung. Sie sind heiß auf die Meisterklassen, die in der Zeit angeboten werden.
Bei den Bürgern der Stadt ist es eher umgekehrt, zumal die hochwertigen Konzerte mit ihren
ungewöhnlichen Angeboten zu einem kleinen Preis angeboten werden. Für Menschen, die den
Konzertbetrieb nicht mögen, hält das Institut für Musik und Medien, das der Hochschule angeschlossen ist,
Live-Streams bereit. Warum diese nicht anschließend auch als Video on Demand angeboten werden, ist
eines der Mysterien des Instituts.
Für den Live-Stream dieses Abends allerdings wird ein enormer Aufwand betrieben. Fünf Kameras sind im
Saal verteilt, um eine Nacht in der Alhambra aufzuzeichnen, bei der immerhin nicht weniger als zehn
bedeutende Gitarrensolisten auftreten. Im Saal ist nahezu jeder der ebenerdigen Plätze besetzt. Auch
wenn die Sicht auf die Bühne spätestens ab Reihe 19 allmählich trüb wird, ist die Akustik, was sinfonische
Belange angeht, geradezu überwältigend. Jedes zusätzliche Geräusch wie Gitarrenklänge oder das
Klatschen in die Hände allerdings überfordert die Holztäfelung. Das wissen die Betreiber und sind in der
Mikrofonierung außerordentlich erfahren. Somit sollte es also ein klanglich erfreulicher Abend werden. Ein
Fest ist er sowieso schon. Das spürt man gleich: Hier sitzen die, die eine großartige Woche hinter sich
gebracht haben.
Die Alhambra ist eine Stadtburg auf dem Sabikah-Hügel von Granada in Spanien. Sie ist eines der
schönsten Beispiele des maurischen Stils der islamischen Kunst. Wer dort eine Nacht verbringt, hat gute
Chancen, vielfältigste Musikrichtungen zu erleben. Und das ist auch das Ziel des Konzertabends. Dazu
lässt Thomas Gabrisch seine Sinfonietta Ratingen antreten. 2014 gegründet, unterstützt das Orchester
üblicherweise den Konzertchor Ratingen und ist gekennzeichnet durch seine flexible Zusammensetzung
aus Musikern der bekannten Symphonieorchester in Düsseldorf, Duisburg oder Bochum, Professoren und
besonders begabten Studenten der Hochschule. Eine brisante oder besser zündende Mischung, die
bislang durch übermäßige Spielfreude auffiel, sich aber eher am Chor-Repertoire abarbeitete. Jetzt können
die Musiker zeigen, dass sie auch auf anderen Feldern erfolgreich ackern können. Und es sei
vorweggenommen, dass die Sinfonietta mit größter Freude auf spanischen und kubanischen Äckern gräbt.
Als sei nichts selbstverständlicher auf der Welt, wird hier zeitgenössische spanische und kubanische Musik
interpretiert. Dabei sind Festival-Aufführungen nicht für ausgiebig lange Probenzeiten bekannt.
Zu Beginn des Abends stehen zwei Werke
von Joaquín Rodrigo auf dem Programm,
der als bedeutendster spanischer
Komponist des 20. Jahrhunderts gilt. Seine
Musik verbindet Neoklassizismus mit
spanischer Folklore, wobei er in der
Tonalität durchaus Dissonanzen zulässt.
Sein bekanntestes Werk ist das 1940
uraufgeführte Concierto de Aranjuez.
Darauf wird allerdings an diesem Abend
verzichtet. Stattdessen eröffnet die
hochbegabte Andrea González Caballero,
die derzeit ihr Konzertexamen an der
Hochschule absolviert, mit der Fantasía
para un gentilhombre, also einer Fantasie
für einen Edelmann. Auswendig trägt sie die feinziselierte Musik im eleganten Dialog mit dem Orchester
vor, die sehr modern, dissonant und lebhaft endet. Hier klingt schon einmal die Virtuosität des
nachfolgenden Programms an. Nach kurzer Umbaupause geht es zum dreisätzigen Concierto Andaluz,
das für gleich vier Gitarren geschrieben ist. Eduardo Inestal, Mircea Gogoncea, Alexander-Sergei Ramirez
und Miguel Angel Lázarro Diaz treten an, um im ersten Satz mit dem stark ausgeprägten Rhythmus eines
Boleros zu begeistern. Im zweiten, streckenweise filmmusikalisch klingenden Satz darf es ruhiger zugehen
bis zu wehmütigen Weisen, bei denen die Gitarrenklänge auch schon mal von säuselnden Geigen
unterlegt werden. Das Alegretto des dritten Satzes zeigt wieder eher die dialogische Form, die den Abend
beherrscht.
Nach der Pause geht es zur Musik der lebenden Komponisten. Marco Tamayo, David Martinez, Ricardo
Gallén und der Komponist selbst präsentieren mit dem Orchester die zweite Aufführung von Fantasía en
los jardines de Falla von Joaquín Clerch. Nach dramatisch-düsterem Auftakt zeigen die Musiker
anspruchsvollste Gitarrenkunst, bei der im Geigenhintergrund immer wieder Dissonanzen verwoben
werden. Im mittleren Teil trennen sich Orchester und Gitarren, indem beide längere Passagen
nacheinander für sich spielen, ehe alle zusammen noch einmal ein furioses Finale entfachen. Genau die
richtige Überleitung zum letzten Höhepunkt des Abends. Juan Manuel Cañizares führt sein eigenes Werk
Al-Andalus in einem Arrangement von Joan Albert Amargòs auf, ein Flamenco-Konzert für Gitarre und
Orchester. Gewidmet hat der Gitarrist das Stück der Flamenco-Gitarren-Legende Paco de Lucia. Begleitet
wird das ebenfalls dreisätzige Konzert von Charo Espino und Angel Muñoz, die die palmas, also das
rhythmische Klatschen der Hände, beisteuern. Zur Freude des Publikums gibt es dann auch noch einen
Tanz der beiden.
Thomas Gabrisch, der als Gastdirigent wiederholt in Spanien und Kuba aufgetreten ist, führt die Sinfonietta
präzise, zeigt sich in der Musik zu Hause und hat selber viel Spaß an dem Engagement seiner Musiker.
Das mehrheitlich fachkundige Publikum tobt vor Begeisterung, Bravo-Rufe werden laut und die Zugaben
dankbar angenommen. Damit geht ein wahrhaft krönender Abschluss des Gitarrenfestivals sehr langsam
zu Ende. Und wenn es nach den Besuchern ginge, hätte sicher noch ein kleines Konzert hintendran Platz
gehabt.
Michael S. Zerban
Weihnachtskonzert der Stadt Ratingen,23.12.2017
Hauptsache Harfe
2012 fasste die Stadt Ratingen den Beschluss, ein jährliches
Weihnachtskonzert in der Stadthalle aufzuführen. Der Höseler
Knabenchor unter Leitung von Thoralf Hildebrandt führte das Programm
unter Mitwirkung wechselnder Solisten durch. In diesem Jahr wurde
erstmalig der Konzertchor Ratingen beauftragt, das Konzert gemeinsam
mit der Sinfonietta Ratingen zu gestalten. So sollen auch die übrigen
Klangkörper der Stadt weiter in den Blickpunkt gerückt werden. Eine gute
Entscheidung. Erfreuten sich die vorangegangenen Veranstaltungen
schon großer Beliebtheit, zieht der Wechsel noch mehr Interesse auf sich. Obwohl die Lokalredaktion einer
Tageszeitung darauf hinwies, dass das Weihnachtskonzert im Dumeklemmersaal der Stadthalle stattfinde,
finden an diesem Abend doch annähernd 1.000 Menschen jeden Alters in den Suitbertus-Saal der
Dumeklemmer-Halle. Damit ist die Halle ausverkauft.
Für den Konzertchor und die Sinfonietta, das ist das Orchester, das von Konzert zu Konzert
bedarfsgerecht von Sabine Schneider zusammengestellt wird, ist es ein Heimspiel. Schließlich führt das
Ensemble unter Leitung von Thomas Gabrisch seit einigen Jahren zweimal jährlich in der Stadthalle ein
eigenes Konzert auf. Und trotzdem ist es diesmal ein bisschen anders. Vielleicht liegt es am Publikum, das
jetzt nicht gekommen ist, um interessante Werke der Chorliteratur kennenzulernen, sondern in dem
Besuch den Abschluss der Vorweihnachtshektik sieht und einfach nur entspannen will. Der Konzertchor
hat seine Aufgabe verstanden und versucht, ein abwechslungsreiches Programm zusammenzustellen, das
nicht die üblichen Klischees bedient und trotzdem einer breiten Mehrheit gefallen kann.
Was sich leider nicht herumgesprochen hat, ist, dass die Kulturwelle des
öffentlich-rechtlichen Hörfunksenders seit Wochen die Musik Johannes
Sebastian Bachs rauf- und runterdudelt. Und so wird auch dieses
Konzert mit Bach eröffnet. Immerhin bietet der Eingangschor Jauchzet,
frohlocket! aus dem Weihnachtsoratorium einen kraftvollen Einstieg, mit
dem der inzwischen wieder 80 Mitglieder umfassende Chor seine
Präsenz zeigen kann. Anscheinend gehören die Ratinger nicht zum
Stammpublikum des Senders, so dass sie Freude auch an Auszügen
aus dem Magnificat finden.
Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Motette Ave verum corpus aus dem Jahr 1791, die er für einen
befreundeten Kantor in Baden bei Wien verfasste, löst sich der Chor allmählich – zumindest klanglich –
aus den Fesseln der Kirchenmusik und erwärmt das weihnachtlich gestimmte Herz. Aber um das
Überirdische eines Konzerts heraufzubeschwören, bedarf es eines anderen Instruments als Chor und
Orchester, so gut sie auch immer singen und spielen mögen. Das wusste auch Georg Friedrich Händel
schon, der mit seinem Harfenkonzert in B-Dur 1736 eines der unter Harfenisten bis heute beliebtesten
Stücke verfasste. Was auch daran liegen mag, dass es nicht so viele Konzerte bekannter Komponisten für
die Harfe gibt.
Bereits im November vergangenen Jahres hatte Gabrisch seine Tochter Maria Luisa mit einem HarfenSolo
aus Camille Saint-Saëns Oratorio de Noël vorgestellt. Und mit ihrem Spiel das wenig fachkundige
Publikum begeistern können. Im Sommer dieses Jahres legte Maria Luisa den „Fachkundenachweis“ nach:
Im Bundeswettbewerb Jugend musiziert belegte sie den ersten Platz. So ganz trittfest will die 17-Jährige
noch nicht auf die Bühne, aber kaum sitzt sie am Instrument, strahlt sie das Urvertrauen in den Vater und
ihre eigenen Fähigkeiten aus. Hochkonzentriert und auswendig produziert sie serienweise schöne Läufe.
Da wächst ein ganz großes Talent heran, und die Bürger seiner Heimatstadt dürfen es „hautnah“ erleben.
Das ist schon etwas Besonderes. Und hat auch durchaus Weihnachtliches, wenn der Vater seine Tochter
nicht freundlich als Solistin verabschiedet, sondern impulsiv vom Pult steigt und sie in den Arm nimmt.
Nach Denn es ist uns ein Kind geboren und dem passenden Abschluss mit dem Hallelujah aus Händels
Messiah geht es in die Pause.
Ein ausgesprochen glanzvoller Auftakt in
den zweiten Teil gelingt Gabrisch mit Carl
Otto Nicolais Weihnachtsouvertüre über
den Choral Vom Himmel hoch. Auch wenn
dem Komponisten als Verfechter
italienischer Oper eine Abneigung gegen
Richard Wagners Musik nachgesagt wird,
ist diese Ouvertüre dem deutschen
Komponisten ebenbürtig. Und der Dirigent
setzt alles daran, das volle Klangbild
aufleuchten zu lassen. Gabrisch, der sonst
eher unterkühlte, „lässige“ im besten Sinne
musikalische Leiter, legt hier eine Wucht
an den Tag, die das Orchester zum
Äußersten treibt. Hervorragend. Klar, dass
Mendelssohn-Bartholdys Vom Himmel hoch nachgeschoben wird. Ob man an einem solchen Abend, der
so immerhin die Länge von mehr als zweieinhalb Stunden erreicht, die gesamte Nussknacker-Suite
präsentiert, ist diskutabel. Dafür spricht, dass Gabrisch das Orchester zu einer sehr akzentuierten,
mitreißenden Spielweise motiviert, die das Werk wie frisch aus der Taufe gehoben erscheinen lässt – wenn
es denn einen Tschaikowski heute gäbe.
Apropos heute: Auch Zeitgenössisches wird an diesem Abend präsentiert. Allerdings sind John Milford
Rutters Chorgesänge Christmas lullaby, Mary’s lullaby und The Lord bless you and keep you derart süßlich
und parfümiert, dass sie nach dem starken Verlauf des Abends nur noch wie Anhängsel wirken. Mit Tollite
hostias aus dem bereits erwähnten Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns gelingt ein glorioser
Abschluss eines wirklich rundherum gelungenen Abends.
Auch hier schließt der Abend mit einem gemeinschaftlich gesungenen Oh, du Fröhliche, ehe der Abend mit
ausgiebigem Applaus endgültig endet. Sehr entspannt geht es dann nach Hause, dem Heiligen Abend
entgegen.
Michael S. Zerban
Menschen Wölf‘ und Drachenweiber, Walpurgisnacht und stabat mater
Menschen-Wölf‘ und Drachenweiber
Das sieht schlecht aus für eine Abendveranstaltung in der
Stadthalle Ratingen. Endlich wieder Sonnenschein und
frühlingshafte Temperaturen. Noch dazu kündigt die
Wettervorhersage an, dass das gute Wetter genau zwei Tage
hält. Da kann man sich für die Gestaltung eines Samstagabends
vieles vorstellen, was garantiert nichts mit den Innenräumen
einer Stadthalle zu tun hat. Dafür sind noch erstaunlich viele
Besucher gekommen. Zu etwa zwei Dritteln sind die Stühle
besetzt. Der Konzertchor Ratingen hat zu seinem Frühlingskonzert eingeladen. Und die ihn
begleitende Sinfonietta Ratingen verabschiedet sich zuallererst mal vom Winter und begrüßt
den Frühling. „Es lacht der Mai! Der Wald ist frei von Eis und Reifgehänge. Der Schnee ist fort,
am grünen Ort erschallen Lustgesänge.“ Prächtig erklingt der Chor nach der zweiteiligen
Ouvertüre, die das Geschehen dramatisch einleitet. Dabei handelt es sich bei der Ballade Die
erste Walpurgisnacht von Johann Wolfgang von Goethe, die Felix Mendelssohn Bartholdy als
Kantate vertont hat, eher um eine lustige Begebenheit. Heiden, von Christen im Harz
festgesetzt, kämpfen darum, ihre Frühlingsbräuche feiern zu können. Sie veranstalten einen
gewaltigen Mummenschanz, schlagen damit die Christen in die Flucht und können so ihren
Gottesdienst feiern. Mendelssohn konzentriert sich bei der Vertonung nicht auf den Humor
der List, sondern beschreibt musikalisch eher „Menschen-Wölf‘ und Drachen-Weiber, die im
Flug vorüberziehen! Welch entsetzliches Getöse!“. Nun, vom Getöse sind Chorsänger und
Solisten dann doch weit entfernt.
Vielmehr werden hier in selten erlebter Balance sämtliche
Tiefen der Musik ausgetragen und vorgeführt. Thomas Gabrisch,
Leiter des Konzertchores, hat eigens zu diesem Werk eine
Neuerung eingeführt. Er hat den Videokünstler Moritz Hils
beauftragt, ein in dieser Weise vorgetragenes vollkommen
eigenständiges Werk um eine Video-Licht-Installation zu
ergänzen. Hils zeigt auf einer schmalen Projektionsfläche hinter dem Chor Mond-, Blumenund
Augenbilder mit vorüberziehenden Wolken. Selbst wenn es aussagekräftigere Bilder
wären: Der musikalische Vortrag erlaubt in seiner Stärke keine visuelle Ablenkung. Was dem
jungen Künstler allerdings hervorragend gelingt, ist seine Lichtintervention. Hier schafft er mit
geringsten Mitteln eine Dramaturgie, von der man sofort weiß: Das hat hier gefehlt. Und das
nachfolgende Stück wird ihm gleich noch Recht geben. Vorerst aber gibt es drei, vier
atmosphärische Lichtwechsel, die der Szenerie ausgesprochen gut zu Gesicht stehen. Und
wenn Bariton Konrad Jarnot mit großer Stimme zum Schluss kommt, die jeden in den Bann
zieht, ja, fast schon wagnerische Ausmaße annimmt, die letzten beiden Zeilen der Ballade
zitiert – „Und raubt man uns den alten Brauch, dein Licht, wer kann es rauben?“ – blendet Hils
weißes Licht in zunehmender Intensität ins Publikum. Einfach großartig.
Eine halbstündige Pause sorgt für
ausreichenden Abstand zwischen
den beiden Werken des Abends.
Auch wenn die Erste Walpurgisnacht
u n d Stabat Mater von Gioachino
Rossini etwa zur selben Zeit
entstanden sind, könnten sie kaum
unterschiedlicher sein. Wurde
Mendelssohn zu viel Ernsthaftigkeit
vorgeworfen, war es bei Rossini ein
zu geringer kirchlicher Bezug. Bei
Kirchenaufführungen von Stabat
Mater bemüht man sich, den
kirchenmusikalischen Aspekt in den
Vordergrund zu stellen – in Ratingen bemüht sich Gabrisch, die operesken Feinheiten
herauszuarbeiten. Und das gelingt hervorragend. Neigen Kirchenchöre dazu, zu Gott
aufzubrausen, gelingt es Gabrisch auch hier, eine schöne Balance zwischen Chor, Orchester
und Solisten herzustellen.
Neben einem absolut begeisternden Jarnot in der Ersten Walpurgisnacht zeigen auch die
übrigen Solisten eine Meisterschaft, die mit einer Stadthalle kaum mehr zu vereinbaren ist.
Bei einem Oratorium gibt es als Sänger für dich keine Chance, dich in eine Rolle
hineinzusingen. Das muss auf den Punkt sitzen. So wie bei Sabine Schneider als Sopran, bei
der die Einsätze absolut akkurat stimmen. In den Höhen glänzt sie silbern, in den mittleren
Lagen bleibt sie gut verständlich. Und besonders schön wird es, wenn sie bei „Quis non
posset contristari, piam matrem contemplari dolentem cum filio?“ mit Mezzosopranistin Elvira
Bill ins Duett geht. Die zeigt in der Kavantine Fac ut portem Christi mortem ihr ganzes
Können. Simon Robinson liefert sich als Bass mit dem Chor einen nahezu perfekten Dialog.
Auch Tenor Michael Siemon trägt zum Erfolg des Abends bei.
Der Chor bringt sich a cappella in eine Spitzenposition, zeigt aber durchgängig seine hohe
Qualität, die er inzwischen mit Gabrisch erarbeitet hat. Auch der Dirigent hat sich
weiterentwickelt. An diesem Abend entsteht der Eindruck, als habe er sich vom väterlichen
Begleiter zum entschiedenen Motivator gewandelt. Erstmals erlebt man ihn als maestro, und
das bekommt Chor und Orchester bestens.
Am Ende des Konzerts steht fest: Das war mit Abstand der beste Abend, den Konzertchor,
Sinfonietta und Solisten abgeliefert haben. Das Publikum johlt, gratuliert und erhebt sich von
den Plätzen. Diesen Genuss möchte man gegen keinen Biergarten tauschen.
Michael S. Zerban